Executive Summary
Das eigene Unternehmen in geordneten Bahnen zu verkaufen, stellt viele Mittelständler vor eine schier unlösbare Herausforderung. Diese Studie gibt einen Einblick in die Hintergründe eines Unternehmensverkaufs im Mittelstand, skizziert, wie mittelständische Unternehmer den Verkauf des Betriebs vorbereiten und abwickeln wollen und gibt Aufschluss darüber, welche Anforderungen sie an ihre Unterstützer haben. Die wichtigsten Aussagen und Ergebnisse sind nachfolgend dargestellt:
Die Vorbereitung des Unternehmensverkaufs ist im Mittelstand oft unzureichend. Mit der Suche nach einem Nachfolger wird erst spät begonnen.
Ein hoher Kaufpreis steht in der Wichtigkeit der Unternehmer nicht an oberster Stelle. Bei der Einleitung des Verkaufsprozesses vertrauen Mittelständler vor allem auf ihren Steuerberater.
I. Methodik
Hintergrund und Konzeption
Die vorliegende Studie zum Thema Unternehmensverkauf setzt sich aus zwei integrativen Teilen zusammen. Gemeinsam sollen sie zu einem besseren Verständnis der Wünsche, Bedürfnisse und Probleme jener Unternehmer, insbesondere des kleinen Mittelstands, beitragen, die beabsichtigen, ihr Unternehmen in naher Zukunft zu verkaufen.
Den ersten Teil der Studie bildete eine Befragung unter verkaufsinteressierten Unternehmern im Bundesgebiet, der zweite Teil setzt sich aus drei Übergabe-Fallstudien zusammen. Die Grundgesamtheit der Studie bildete ein Verteiler aus etwa 2.500 mittelständischen Unternehmen bis zu einem Umsatz von 50 Millionen Euro, deren Eigentümer bereits konkrete Wünsche geäußert haben, ihr Unternehmen in den nächsten Jahren verkaufen zu wollen. Diese Unternehmer wurden per E-Mail kontaktiert und eingeladen, an der Studie teilzunehmen. Die Befragung selbst bestand aus einem Onlinefragebogen, der zwischen Anfang November und Mitte Dezember 2013freigeschaltet war. Er bestand aus 15 Fragen, davon14 geschlossene und eine offene Frage, die den Teilnehmern die Möglichkeit gab, ihre Gedanken zum Unternehmensverkauf frei niederzuschreiben.
Neben dem ersten Anschreiben Anfang November erfolgte noch ein Erinnerungsmailing Ende November, um den Rücklauf weiter zu erhöhen. Insgesamtbeteiligten sich im Untersuchungszeitraum 110 Unternehmer an der Untersuchung, die jeweils den Fragebogen vollständig beantworteten.
Teilnehmerstruktur der Befragung
Ein Blick auf die Umsätze der an der Studie teilnehmenden Unternehmen zeigt den klaren Fokus der Befragung auf kleinere Unternehmen sowie Betriebe des kleinen Mittelstands. Knapp 40 Prozent der Be- fragten weisen in ihrem Hause einen Jahresumsatz von maximal 500.000 Euro auf. Ein knappes Viertel der Teilnehmer erzielt einen jährlichen Umsatz zwischen 500.000 und 1 Million Euro. Im Bereich zwischen 1 und 3 Millionen Euro liegen etwa 24 Prozent der Befragungsteilnehmer. Mit einem Anteil von etwa 13 Prozent weisen die Unternehmen mit einem Geschäftsvolumen von mehr als 3 Millionen Euro den geringsten Anteil an der Stichprobe auf.
Die Größe der befragten Unternehmen - gemessen am Umsatz - spiegelt sich auch in der Mitarbeiterzahl der teilnehmenden Betriebe wider. Gut sechs von zehn Unternehmen weisen bis zu zehn Mitarbeiter auf. In knapp einem Viertel sind es 11 bis 30 Kollegen, die im Betrieb arbeiten. Zusammen machen diese beiden Gruppen über 80 Prozent der Teilnehmer aus. Unternehmen mit 31 bis 50 Mitarbeitern, mit 51 bis 100 sowie mit über 100 Beschäftigten sind jeweils mit weniger als 10 Prozent vertreten.
Bei der Zuordnung zu den Branchen zeigt sich folgendes Bild: Das Handwerk ist zu einem Viertel vertreten, jeweils 18 Prozent der Teilnehmer sind Herstellung und Produktion sowie dem Handel zuzurechnen. Vier von zehn Unternehmen und damit die größte Gruppe ist dem Dienstleistungssektor zugehörig. Diese Struktur entspricht in etwa auch der Grundgesamtheit der in den kommenden Jahren zur Übergabe stehenden Mittelständler. Ein genauerer Blick auf den Sektor zeigt ein sehr unterschiedliches Bild an Tätigkeitsbereichen. Die Firmen sind im Maschinen- und Anlagebau genauso tätig wie in der Elektroindustrie, der Landschaftspflege, dem Baugewerbe oder auch in wirtschaftlich und technisch beratenden Dienstleistungen.
II. Ergebnisse der Befragung
Hintergrund des Verkaufsprozesses Motive für den externen Verkauf
Auf die Frage, warum sich Menschen entschließen, unternehmerisch tätig zu werden, ist die Antwort meist recht eindeutig: sein eigener Herr bzw. seine eigene Frau zu sein, gestalten zu wollen. Doch warum möchte jemand eines Tages seine Selbständigkeit beenden und sein Unternehmen verkaufen? Diese Frage war von besonderem Interesse für die vorliegende Studie.
Die Ergebnisse zeigen ein klares Bild: Deutlich mehr als ein Drittel der befragten Unternehmer strebt in den kommenden Jahren einen Unternehmensverkauf aus Altersgründen an. Die Befragten bestätigen damit auch die demographische Entwicklung, wonach eine zunehmend älter werdende Bevölkerung in naher Zukunft in Rente geht und daher den Verkauf des eigenen Unternehmens anstrebt. Die Befragten nennen noch einen weiteren Aspekt, der sich unmittelbar daraus ableiten lässt. In vielen Unternehmen fehlt offenbar ein designierter Nachfolger aus dem familiären Umfeld oder aus dem Betrieb, der die Firma übernehmen kann und will. Jeder Fünfte gibt an, keinen passenden Nachfolger für sein Unternehmen zu finden.
Den Unternehmern fehlen die
Nachfolger im eigenen Hause.
Ihre Schäfchen ins Trockene bringen, das wollen nur knapp 13 Prozent der befragten Studienteilnehmer. Für sie steht bei den Gründen für den externen Unternehmensverkauf an erster Stelle das Motiv, die Früchte ihres unternehmerischen Erfolgs zu ernten. Auch diese Antwort hängt zu einem großen Teil mit dem Alter der Unternehmensinhaber zusammen.
Der Schluss liegt nahe, dass der Wunsch nach einem einmalig hohen finanziellen Rückfluss vor allem bei Unternehmern kurz vor der Rente eintritt. Ein Unternehmen aufzugeben, um nochmals „etwas anderes zu machen", möchte etwa jeder zehnte Unternehmer. Damit hat der beabsichtigte Verkauf des Unternehmens aus diesem Grund in etwa die gleiche Bedeutung wie eine geringe Eigenkapitalausstattung des Unternehmens als Hauptverkaufsargument. Dieses nur bei einer kleinen Anzahl an Unternehmern vorhandene Argument unterstreicht auch die Tatsache, dass die deutschen Mittelständler durchaus solide mit Eigenkapital ausgestattet sind. Die Quote ist zuletzt wieder angestiegen und liegt über alle Branchen hinweg im Schnitt bei 20 Prozent.
Jeder Zehnte möchte nochmals
„was anderes machen".
Nahezu überhaupt keine Rolle beim Unternehmensverkauf spielt hingegen der Wunsch nach einer Vermögensaufteilung im Gesellschafterkreis, etwa weil einer der Gesellschafter ausscheiden und daher abgefunden werden möchte. Auch gesundheitliche Gründe führt lediglich jeder zwanzigste Unternehmer als Grund an, warum er seinen Betrieb in den kommenden Jahren extern verkaufen möchte.
Alter der Unternehmen
Eng verknüpft mit dem geplanten Verkauf eines Betriebs durch den Inhaber aufgrund seines Alters ist auch ein entsprechendes Alter des Unternehmens. Diese Vermutung wurde durch die Unternehmer in der Befragung im Großen und Ganzen bestätigt.
Knapp 42 Prozent, also mehr als vier von zehn Unternehmen aus der Befragung, weisen ein Alter zwischen 11 und 30 Jahren auf und haben sich somit schon am Markt etabliert. Bei der Annahme, dass der Unternehmer seinen Betrieb im Alter zwischen 30 und 40 Jahren aufgebaut bzw. übernommen hat, deutet dieses Unternehmensalter wiederum darauf hin, dass das persönliche Alter des Unternehmers ein wesentlicher Verkaufsgrund ist.
Verkaufen, was man selbst aufgebaut hat.
Mehr als jeder fünfte Unternehmer dürfte den zu verkaufenden Betrieb seinerseits wiederum von jemandem gekauft oder übernommen haben. Dieser Umstand lässt sich aus der Tatsache schließen, dass ebenso viele Firmen aus der Stichprobe ein Unternehmensalter von mehr als 50 Jahren aufweisen und insofern als traditioneller Betrieb angesehen werden können. Jeweils knapp 12 Prozent der teilnehmen den Unternehmen sind bereits zwischen 31 und 50 Jahren beziehungsweise zwischen 6 und 10 Jahren am Markt aktiv. 13 Prozent wollen schon in der Start-up-Phase wieder verkaufen.
Auffallend ist, dass es auch in der Gruppe der jungen Unternehmen, also jener, die erst zwischen ein und fünf Jahren existieren und die per definitionem noch der Startphase zugerechnet werden können, bei knapp 13 Prozent bereits wieder ein Verkaufsinteresse besteht.
Geplanter Zeitpunkt des Verkaufs
Betrachtet man den Zeithorizont des beabsichtigten Unternehmensverkaufs, so lässt sich eine besonders hohe kurzfristige Verkaufsabsicht unter den befragten Eigentümern feststellen. Vom Entschluss, seine Firma verkaufen zu wollen bis zum Start des aktiven Verkaufsprozesses sollen maximal 12 Monate vergehen. Das ist bei mehr als 60 Prozent der Fall.
Verkäufe im Mittelstand werden nicht von langer Hand geplant.
Dieser kurzfristige Betrachtungs- und Aktionszeitraum hat seinen Ursprung sicherlich auch in der vor allem in Kleinbetrieben beziehungsweise in kleinen mittelständischen Unternehmen oftmals anzutreffenden kurzfristigen Planungshorizont, der in vielenFällen nicht über eine Ein-Jahres-Planung hinaus geht. Nicht einmal ein Viertel aller verkaufswilligen Mittelständler legen bei der geplanten Veräußerung des Unternehmens einen Planungszeitraum von ein bis drei Jahren zugrunde. Das bedeutet, dass unter den Befragten nur knapp jeder vierte mittelständische Unternehmer beim Verkauf seiner Firma von einem Beginn des Verkaufsprozesses ausgeht, der mittelfristig in der Zukunft liegt. Einen längerfristigen Plan von drei Jahren und mehr haben nur etwas mehr als 15 Prozent der befragten Geschäftsführer von Kleinunternehmen und kleinen Mittelständlern. Dabei zeigt sich, dass die Kohorte derjenigen, die erst in fünf Jahren oder noch länger mit dem Verkauf des Unternehmens starten möchte, mit etwas mehr als sechs Prozent den kleineren Anteil der Langzeitplaner darstellt. Möglichst in naher Zukunft verkaufen zu wollen, scheint hier klar der Wunsch zu sein.
Nur 6 Prozent möchten erst in frühestens fünf Jahren verkaufen.
Noch einmal klarer wird der relativ kurzfristige Planungshorizont der Befragten bei einem näheren Blick auf die erwartete Zeitdauer der Abwicklung des Verkaufs, also der Frage, wie schnell sie erwarten, ihr Unternehmen dann auch tatsächlich an den Mann bringen zu können.
Dauer des Verkaufsprozesses
Bereits beim ersten Blick auf die Ergebnisse wird deutlich, dass die erwartete Dauer des Verkaufsprozesses klar mit der Kurzfristigkeit des geplanten Zeitpunkts des Unternehmensverkaufs korrespondiert. Die befragten Unternehmer gehen offenbar davon aus, ihren Plan, nämlich das Unternehmen in sehr naher Zukunft verkaufen zu wollen, dann auch sehr rasch umsetzen zu können. Verkäufe rasch anbahnen und ebenso rasch abwickeln ist die Vorstellung.
Mehr als jeder dritte Mittelständler, der sich in der Stichprobe wiederfindet, geht davon aus, die gesamte Transaktion, also den Prozess von der Ansprache potentieller Verkaufsinteressenten bis hin zum Closing in maximal sechs Monaten über die Bühne gebracht zu haben. Der überwiegende Anteil der Befragten, nämlich 5 Prozent, sieht einen Zeitraum von 7 bis 12 Monaten als realistisch für den Verkauf des Unternehmens an. Betrachtet man nun beide Gruppen zusammen, so sind also acht von zehn Unternehmern der Meinung, den Deal binnen eines Jahres abgeschlossen und ihr Unternehmen übergeben zu haben. Maximal 12 Monate soll der Verkauf dauern.
Aus dieser Tatsache lässt sich ableiten, dass die Befragten durchweg mit keinen größeren Problemen oder Komplikationen bei der Due Diligence oder der Genehmigung allfälliger Kredite oder Förderanträge rechnen. Die intensive Prüfung und Untersuchung des Zielunternehmens sowie das Warten auf Genehmigungen stellen in den meisten Fällen die größten Zeitfresser bei Unternehmenstransaktionen dar und können einen vereinbarten Zeitplan rasch gefährden. Mit eventuellen Verzögerungen beim Verkaufsprozess rechnen immerhin 16 Prozent der verkaufswilligen Unternehmer kleiner und mittelständischer Betriebe. Sie gehen von einem zeitlichen Szenario für den Verkaufsprozess aus, das bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen kann - ein Zeithorizont, zu dem es vor allem bei großen, internationalen Transaktionen kommt, die nicht selten auch erst durch eine oder mehrere Behörden genehmigt werden müssen.
Die Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs samt Einleitung erster Maßnahmen bindet zeitliche und personelle Ressourcen. Die Studienergebnisse zeigen jedoch eindrucksvoll, dass trotz des erhöhten Arbeitsaufwands bei der überwiegenden Anzahl der befragten Mittelständler der gesamte Prozess zur Chefsache erklärt wird. 45 Prozent geben an, in ihrem Unternehmen über keinen vollwertigen Vertreter zu verfügen, der fachlich oder unternehmerisch mitbestimmt.
Der Unternehmer entscheidet größtenteils alleine über den Verkauf.
Lediglich jeder zehnte Befragte plant, sich im Zuge des Verkaufs der Firma noch vor der eigentlichen Transaktion einen vollwertigen Vertreter aufbauen zu wollen, der punktuell auch die Abwicklung der Transaktion unterstützen kann. Vor dem Hintergrund, dass die überwiegende Mehrheit mit dem Deal innerhalb der kommenden zwölf Monate starten möchte und nebenbei mit einem ebenso raschen Abschluss des Prozesses rechnet, bleibt zumindest fragwürdig, ob der Unternehmer es schafft, in dieser kurzen Zeit parallel noch einen vollwertigen Vertreter des Unternehmers zu entwickeln. Interessantes Detail am Rande: Wenn im Zuge eines geplanten Verkaufs noch ein Vertreter im Unternehmen herangeführt werden soll, so bevorzugen die befragten Unternehmer eine neutrale Person, die von außen kommt und keinen bisherigen Mitarbeiter. Auch das überrascht mit Blick auf gewachsene Traditionen und traditionell hoher Betriebstreue der Belegschaft im Mittelstand ein wenig. Ein knappes Viertel der Befragten hat hingegen bereits einen Vertreter auf fachlicher sowie auf unternehmerischer Ebene aufgebaut. Jeder fünfte hat eine Person, die ihn bei Bedarf zumindest fachlich vertritt.
Einleitung des Verkaufsprozesses
Umsetzung erster Maßnahmen im Unternehmen
Zentral für die Suche eines geeigneten Käufers für ein Unternehmen ist, dass zu diesem Zeitpunkt auch ein möglichst genauer Überblick über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens existiert. Dieser Notwendigkeit ist sich die überwiegende Mehrheit der befragten Mittelständler durchaus bewusst. Mehr als 85 Prozent der Unternehmer setzen bei den Erstmaßnahmen zur Einleitung des Verkaufsprozesses auf vollständige Bücher, indem sie ihre Bilanzen zusammenstellen, betriebswirtschaftliche Auswertungen aufstellen und Kennzahlen berechnen sowie Informationen und Berechnungen zur aktuellen und künftigen Steuerlast des Unternehmens anstellen. Die Bücher müssen tagesaktuell sein. Als zweitwichtigste vorbereitende Maßnahme wird von den Befragten eine lückenlose Aufstellung der Kundenstruktur angesehen allerdings ist hier bereits ein deutlicher Abstand zur Aufbereitung der Bücher in der Wichtigkeit erkennbar. Nicht ganz jeder Zweite ist der Meinung, dass die Dokumentation der Beziehungen zu Geschäftspartnern unabdingbar für den erfolgreichen Abschluss von Verkaufsverhandlungen ist. Und daraus lässt sich ein weiterer interessanter Aspekt schließen: Die Zusammensetzung der aktuellen Kundenstruktur besitzt also nicht nur für den Käufer, sondern anscheinend auch für den Verkäufer eine hohe Wichtigkeit.
Kundenstruktur und Kundendaten sind der größte Schatz.
Kurzfristiger Planungshorizont im Mittelstand hin oder her: Die Wichtigkeit eines Business Plans für die folgenden drei bis fünf Jahre, der dem Käufer eine gewisse Sicherheit geben soll, wird von einem Drittel der Befragten anerkannt und als wichtige Maßnahme im Stadium der Vorbereitung einer Unternehmenstransaktion angesehen. Für jeweils ein Viertel der Mittelständler mit Verkaufsabsichten in naher Zukunft zählen das Bereinigen von Altlasten sowie das Zusammentragen und Aufbereiten von Daten der wichtigsten Wettbewerber zu jenen Vorbereitungsmaßnahmen, die unmittelbar umgesetzt werden sollen. Gerade die Altlasten, die möglicherweise in einem Unternehmen schlummern und im Zuge einer Due Diligence aufgedeckt werden, können am Ende nochmals einen großen Einfluss auf den Kaufpreis haben oder gar im schlimmsten Fall zu einer Nachhaftung des Verkäufers führen. Eine Bereinigung vor dem Ver-
kauf ist daher zielführend.
Ermittlung des Verkaufspreises
Den „richtigen" Preis für ein Unternehmen zu finden, ist stets einzelfallabhängig und erfordert jedenfalls einen detaillierten Einblick in die Firma - eine Meinung, die auch die befragten Unternehmer in dieser Form teilen. Bei der Ermittlung des Verkaufspreises als Grundlage für weitere Verhandlungen zeigen sich zwei Strategien, die von Mittelständlern als besonders passend erachtet werden: Fremdvergleich oder Expertenrat.
Der menschliche Ansatz:
Schauen, wie es die anderen machen.
Insgesamt möchten sich knapp drei Viertel aller Unternehmer bei der Kaufpreisfindung einer dieser beiden Strategien bedienen. Ein Detailblick zeigt, dass drei Wege, die sich jeweils den beiden Strategien zuordnen lassen, bei den Unternehmern gleichermaßen beliebt sind und von jeweils einem Viertel der Befragten eingesetzt werden. In der Kategorie Fremdvergleich sind vor allem ein Marktvergleich und die daraus folgende Ableitung des Kaufpreises aus ähnlichen Verkäufen prominent. Dafür ist der Verkäufer allerdings stets darauf angewiesen, dass der Verkaufspreis auch öffentlich gemacht wurde oder ein vertraulicher Kontakt zu vergleichbaren Transaktionen besteht. Abhilfe kann hier sonst nur ein Berater schaffen, der einen Benchmark zu anderen vergleichbaren Deals hat.
Durch den Kontakt zu einem Berater ergibt sich gleichsam automatisch die zweite Strategie, die von den Befragungsteilnehmern als hilfreich erachtet wird, den richtigen Kaufpreis für ihr Unternehmen zu finden. Ein weiteres Viertel lässt nämlich den Steuerberater des Hauses einen Vorschlag für einen realistischen Kaufpreis erstellen. Dies ist vor allem auf den detaillierten Einblick ins Unternehmen, den ein Steuerberater aufgrund der jährlichen Erstellung des Jahresabschlusses in der Regel hat, zurückzuführen. Er kann dadurch eine Einschätzung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Betriebs vornehmen und so einen ersten Kaufpreis ermitteln.
Der pragmatische Ansatz: Frag' den Steuerberater.
Der dritte, in der Praxis sehr beliebte Weg, den Kaufpreis für das eigene Unternehmen zu finden, ist die Einholung eines unabhängigen Wertgutachtens. Auch dieser Weg der Ermittlung fällt in die Kategorie des Expertenrats. Ebenfalls knapp ein Viertel der Befragten hält diesen Weg für zielführend.
Eine untergeordnete Bedeutung bei der Kaufpreisfindung von Kleinunternehmen und kleiner Mittelständler spielen hingegen Mutiplikatoren (sogenannte Multiples), die sich aus einem Branchenfaktor multipliziert mit dem Ebitda oder dem Umsatz errechnen. Dieser, vor allem bei mittelgroßen und großen Deals sehr beliebter, weil simpler Weg der Kaufpreisermittlung, wird lediglich von jedem zehnten Studienteilnehmer herangezogen.
Branchenfaktoren sind eher unbedeutend.
Etwa ein gutes Sechstel blickt beim Wunsch-Kaufpreis für die eigene Firma ausschließlich auf den privaten Finanzbedarf für das Leben danach. Diese Strategie dürfte vor allem bei älteren Unternehmern zum Einsatz kommen, die nicht unbedingt nach Kaufpreismaximierung streben. Doch wie wichtig ist die Kaufpreismaximierung eigentlich überhaupt?
Persönliche Wichtigkeiten beim Verkauf
Im Rahmen der Frage nach wichtigen Punkten beim Verkauf ihres Unternehmens wurden die Teilnehmer danach gefragt, welche drei Kriterien für sie beim Verkauf an oberster Stelle stehen; also welche Bedingungen beim Verkauf für die Unternehmer unverzichtbar sind. Ein wenig überraschend zeigt sich, dass der erzielbare Preis des Unternehmens nicht an erster Stelle in der Wertigkeit steht und auch nicht in den Top-3-Kriterien wiederzufinden ist.
Im Mittelstand ist der Kunde König.
In der Bedeutung ganz oben finden sich hingegen andere Kriterien. Am meisten am Herzen liegen den Unternehmern ihre Kunden. Dies wird dadurch deutlich, dass es für über 56 Prozent der Befragten das größte Anliegen ist, dass ihre Kunden auch nach erfolgter Unternehmensübergabe in gleichbleibend guter Qualität weiter betreut werden. Unternehmer kleiner und mittelständischer Betriebe setzen also bewusst auf Kontinuität und Langfristigkeit, auch wenn die Vorbereitung des Verkaufs oftmals einen gegenteiligen Eindruck macht. Das dritte Top-Kriterium der Wichtigkeit beim Unternehmensverkauf ist die Übernahme der Belegschaft durch den neuen Eigentümer. Diese Bedingung nennen knapp 54 Prozent der befragten Unternehmer als entscheidend dafür, ob ein bestimmter Käufer den Zuschlag erhält oder nicht.
Mit deutlichem Abstand in der Wichtigkeit beim Verkauf liegt die Geschwindigkeit der Transaktion, die nur von einem Drittel als entscheidender Faktor bei der Übergabe angesehen wird. Die befragten Unternehmen sind eher bereit, noch ein paar Wochen länger nach dem passenden Käufer zu suchen und zu verhandeln, als eine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Eine vergleichsweise geringe Bedeutung in der Wichtigkeit spielt hingegen die Frage, ob das Unternehmen nach der Übergabe seinen Namen behält oder nicht. Der Kern muss erhalten bleiben, die Hülle kann sich gegebenenfalls auch ändern - das scheint das in der Denkweise der meisten mittelständischen Unternehmer beim Unternehmensverkauf vorherrschende Motto zu sein.
Mittelstand zeigt gesellschaftliche Verantwortung, die erhalten bleiben soll.
Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass unternehmerisches Denken im Mittelstand nicht nur von ökonomischen Kriterien geprägt ist, sondern viele verkaufswillige Eigentümer darüber hinaus gesellschaftliche Verantwortung zeigen. Ihr unternehmerisches Handeln soll möglichst lange auch noch nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb nachwirken. Darauf achten sie bei der Auswahl eines potentiellen
Käufers besonders.
Die Suche nach dem passenden Käufer
Keine Transaktion ohne Käufer - das wichtigste Element bei einem Unternehmensverkauf zu finden, gleicht in vielen Fällen einem Puzzlespiel. In manchen Branchen sehen die Unternehmer große Probleme, einen Nachfolger zu finden, wie so manche Antworten auf die freie Assoziation mit dem Thema in dieser Befragung zeigen. In anderen Branchen gibt es zwar viele potentielle Käufer, aber diese auch zu finden gestaltet sich in der Praxis oftmals schwierig und langwierig. Nicht selten spielt der Zufall eine entscheidende Rolle beim Finden von Kaufinteressenten. Unter den beliebtesten Wegen bei der Käufersuche liegt die Nutzung geschäftlicher und privater Kontakte auf dem ersten Platz. Über 53 Prozent der Unternehmer setzen auf diese Variante.
Unternehmer setzen auf persönliche Kontakte und auf Fachleute.
In der Bedeutung ebenso hoch wie die Bedienung der eigenen geschäftlichen und privaten Kontakte bei der Käufersuche ist bei mittelständischen Unternehmern die Konsultation einschlägiger Berater für Unternehmensvermittlung, konkret etwa M&A-Fachleute. Diese haben in den Augen der Befragten einen guten Marktüberblick und kennen nicht nur potentielle Verkäufer, sondern auch interessierte Käufer. Die Anzahl der Befragten, die auf diese Hilfestellung bei ihren Verkaufsvorbereitungen setzen, liegt gleichfalls bei 53 Prozent.
Die Chiffre-Anzeige hat vor allem auf Onlineplattformen noch Bedeutung.
In der Gunst der Verkaufswilligen ebenso noch recht weit oben stehen der Steuerberater und der Anwalt des Unternehmens. Diese Experten bei der Suche nach Kaufinteressenten um Rat zu fragen, zieht mehr als ein Drittel der mittelständischen Unternehmen in Betracht. Ebenso noch eine Rolle spielen Chiffre-Anzeigen, die Unternehmer über Internet-Plattformen beziehungsweise über einschlägige Branchenmagazine aufgeben können. Sie werden insgesamt ebenfalls von einem guten Drittel der an der Studie teilnehmenden Mittelständler in Betracht gezogen. Dabei zeigt sich ein klarer Trend weg von Anzeigen in Magazinen, die nur jeder Zehnte als attraktiv erachtet, hin zu Onlineplattformen, die knapp ein Viertel in Erwägung ziehen.
Unterstützung beim Verkaufsprozess
Anforderungen an einen Unternehmensvermittler
„Intransparent", „zu wenig Unterstützung", „unprofessionell", „Dschungel" - nicht alle Mittelständler haben ein hohes Vertrauen in die bestehenden Beratungsangebote am Markt. Dies zeigen die spontanen Assoziationen der Befragten zu dem Thema im Rahmen der offenen Frage. Dabei haben die Unternehmer im Grunde klare Vorstellungen, welche positiven Eigenschaften ein guter Unternehmensvermittler aufzuweisen hat.
Diskretion ist die wichtigste Anforderung an den Berater und nicht
verhandelbar.
Zwei Erwartungen an den Experten stechen besonders heraus: Diskretion und entsprechende Kontakte zu Kaufinteressenten. Diese Anforderungen sehen verkaufswillige Unternehmer als unbedingte Voraus setzungen. Mit jeweils über 70 Prozent Zustimmung sind diese beiden Eigenschaften so wichtig wie sonst keine anderen. Finden Mittelständler beim Vermittler auch noch Referenzen zu in der Vergangenheit erfolgreich abgewickelten Fällen samt transparenter Dokumentation, so ist damit ein drittes entscheidendes Kriterium erfüllt.
Für 46 Prozent der befragten Unternehmer stellen positive Referenzen von in der Vergangenheit erfolgreich abgewickelten Transaktionen ein Muss für einen Unternehmensvermittler dar. Je etwa ein Drittel der Unternehmer mit Nachfolgeplänen erwartet darüber hinaus Branchenwissen sowie eine strukturierte Vorgehensweise mit im Vorfeld klar definierten Prozessen, was die Abwicklung und Begleitung der Transaktion betrifft.
Gewünschte Bezahlung des Unternehmensvermittlers
Hinsichtlich der Art der Bezahlung ihres Unternehmensvermittlers haben die an der Studie teilnehmenden Unternehmer ebenso klare Präferenzen. Typisch mittelständisch bestimmen Klarheit, Übersichtlichkeit und Planbarkeit die bevorzugte Zahlungsart. Dementsprechend sind regelmäßige monatliche Zahlungen an den Unternehmensvermittler samt einem Erfolgshonorar am Ende bei positivem Abschluss der Transaktion bei der Hälfte der Befragten die bevorzugte Honorarform. Knapp vier von zehn Verkäufern sind ebenso bereit, lediglich zu Beginn des Mandats und danach nochmals am Ende nach erfolgter Transaktion ein Honorar zu bezahlen, die Vergütung also in bloß zwei Tranchen vorzunehmen, die damit auch höher ausfallen.
Klare Kalkulierbarkeit der Kosten soll Überraschungen am Ende verhindern.
Mit nur knapp 3 Prozent nahezu überhaupt keine Relevanz in der Praxis hat die Bezahlung des Unternehmensvermittlers auf Stundenbasis. Diese häufig bei Großkanzleien der wirtschafts- und rechtsberatenden Berufe anzutreffende Form der Vergütung ist bei mittelständischen Unternehmern aufgrund der hohen Unsicherheit der Gesamtkosten unbeliebt. Auch die Abrechnung jeder Einzelleistung findet bei nicht einmal jedem zehnten Befragten Anklang, weil auch diese Form für den mittelständischen Unternehmer eine subjektiv hohe Gefahr der Intransparenz der Kosten in sich birgt.
III. Nachfolge in der Praxis
Plötzlich Unternehmer
Unternehmer wollte Andre Wegner schon immer sein. Ein Unternehmen von der Pike auf aufzubauen kam für ihn aber nicht in Frage. Um seinen Unternehmertraum zu leben, entschied er sich schließlich zum Kauf. Doch der Prozess war schwieriger als gedacht.
„Für mich war schon immer klar, dass ich mich eines Tages selbständig machen möchte", sagt Andre Wegner. Seit knapp anderthalb Jahren ist der 46-Jährige, der zuvor als Produktionsleiter in verschiedenen Unternehmen tätig war, das nun auch. Ein eigenes Unternehmen aufzubauen, von der Pieke auf, daran hat Wegner allerdings nie gedacht. „Viel zu aufwendig und langwierig", nennt der Jungunternehmer die Gründe. Stattdessen hat er sich auf dem Markt für Unternehmensverkäufe umgesehen und sein Interesse an einem Unternehmenskauf auch in verschiedenen Unternehmerbörsen hinterlassen. Was daraufhin folgte, war zunächst einmal eine erste Prüfung der eigenen Person. Was bedeutet Selbständigkeit eigentlich? Welches Unternehmen passt zu mir? Was will ich, was kann ich? Ein richtiges persönliches Auswahlverfahren hat Wegner durchlaufen. Schnell stellte sich allerdings eine erste Ernüchterung ein. „Nach den ersten Anfragen bei Beratern kam von den wenigsten eine Antwort zurück", sagt Wegner. Auch mit Beraterbörsen machte er anfänglich so seine Erfahrungen. „Ich hatte das Gefühl, dass sich die Berater nur bestimmte Fälle herauspicken und nicht mit jedem sprechen."
Wird jemand auf mich aufmerksam?
Doch dann ein erster Lichtblick in Wegners Projekt. „Ein Berater hat mein Gesuch in einer der Börsen gefunden und sich um mein Anliegen bemüht", erzählt er. Dann ging es Schlag auf Schlag. Schnell waren sechs potentielle Unternehmen für einen Kaufidentifiziert, bei denen mit den Verantwortlichen auch entsprechende Gespräche über einen möglichen Kauf des Unternehmens geführt wurden. Bei einem war jedoch das Geschäftsmodell unklar, bei einem zweiten sollte nur ein Teilbetrieb, nämlich die CNC-Fräserei verkauft werden. Die Beratung wollte der Alteigentümer allerdings weiterhin selbst machen. „Das waren daher alles keine Optionen für mich", blickt Wegner zurück. „Bei einem Dritten", gibt Wegner offen zu, „habe ich mir aufgrund der Größe die Unternehmensführung schlichtweg nicht ganz zugetraut." So kamen schlussendlich drei Betriebe für Andre Wegner in die engere Auswahl.
Notwendigkeit einer angemessenen Risikokalkulation
Mit allen drei Firmen führte Wegner gemeinsam mit einem Berater fortan konkrete Verkaufsgespräche. Es handelte sich dabei jeweils um Betriebe mit etwa 2 Millionen Euro Umsatz und einem Ebit zwischen 100.000 und 200.000 Euro. Bei näherer Betrachtung offenbarte sich bei einem Unternehmen eine Vielzahl an Projekten mit langen Laufzeiten, die Kapital im Unternehmen banden. Dieses berechnete der Verkäufer naturgemäß in den Verkaufspreis ein, was den Kauf für Wegner wenig attraktiv machte. Das Risiko war einfach zu groß. Beim Zweiten der drei wollte der Verkäufer plötzlich den doppelten Kaufpreis. So kam auch dieses nicht mehr in Frage. Zu einem positiven Abschluss hingegen kamen die Gespräche mit Uwe Filippi und Roland Rützel, den Eigentümern des Metallbauers Filippi-Rützel aus Schlüchtern im Rhein-Main-Gebiet. Die Schwerpunkte des Unternehmens liegen im Geländerbau, bei Edelstahlkonstruktionen, der Blechbearbeitung und bei mittelschwerem Stahlbau.
Die fehlende Lebensversicherung
Die Prüfungs- und Analysephase des Zielunternehmens mit Business Plan, Due Diligence sowie steuerlicher Betrachtung nahm etwa zwei bis drei Monate in Anspruch. „Es war ein langwieriger Prozess, an dem neben den Verkäufern auch vier Banken beteiligt waren", sagt Wegner. Zu Verzögerungen führten sehr banal klingende Dinge. Seine Hausbank verlangte eine Risikolebensversicherung, die er bis zu diesem Zeitpunkt nicht hatte. Zum Abschluss dieser sind ärztliche Atteste und verschiedene Formulare notwendig. „Im Nu zogen ein paar Wochen ins Land, bis ich alles zusammen hatte." Auch um seinen Metallbau-Meisterbrief musste er sich noch kurzerhand kümmern. Die Handwerkskammer sieht vor, dass Betriebsleiter nur ein Meister im Fachgebiet sein darf. Er hatte nur den Brief in Feinwerkmechanik.
Neuausrichtung des Personals
Nach erfolgter Abwicklung des Kaufs war für Andre Wegner erst einmal vieles neu. Auf gut 20 Jahre Praxiserfahrung kann der studierte Diplomingenieur zurückblicken. Er steuerte Projekte im Millionen-Euro-Bereich, doch die Leitung eines eigenen Betriebs ist dann nochmals eine Stufe drüber. Neun Monate betrug die Einarbeitungszeit. Währenddessen waren die Alteigentümer noch täglich im Betrieb anwesend.
Die erwartete Umsatzdelle nach der Übernahme ist jedoch nicht eingetreten, die Kundenzahl hat sich sogar erhöht. Dennoch gewann der Jungunternehmer über viele Abläufe und Details erst im Laufe der Zeit einen Überblick. Dazu zählen auch der Zustand und die Motivation der Belegschaft. Arbeitnehmer werden genauso übernommen wie Grundstücke, Maschinen, Kundenstamm oder offene Rechtsstreitigkeiten. „Da kauft man schon auch immer ein wenig die Katze im Sack", sagt Wegner. Natürlich wollte er sein Team rasch auf Produktivität trimmen, ohne jedoch jedem einzelnen ständig im Nacken zu sitzen. Dabei stellte er aber beispielsweise schnell fest, dass auf einem Mitarbeiter zu viel Verantwortung lastete, was sich gesundheitlich negativ auswirkte. Ein anderer hatte eine Rolle im Unternehmen, derer er nichtngewachsen war. Für solche Probleme aus dem Unternehmerleben ist Andre Wegner jetzt komplett eigenständig verantwortlich. Trotzdem ist er froh, diesen unternehmerischen Schritt gemacht zu haben.
Verkauft, aber nicht aus dem Sinn
Ein schwäbisches Ehepaar hat ihr Unternehmen verkauft, arbeitet dort aber noch mit. Dass es dazu kam, war auch einem Azubi zu verdanken. Der Käufer wollte zunächst einen ganz anderen Betrieb übernehmen.
Die Sonne strahlt jetzt wieder ganzjährig südwestlich von Tübingen in Baden-Württemberg. Seit einem guten Jahr ist das auf Solarthermie spezialisierte Unternehmen Sonnergie Teil der Thomas Preuhs Holding. „Als der Markt für Solarwärme eingebrochen ist, standen wir vor der entscheidenden Frage: Sollen wir den kompletten Neustart wagen, oder suchen wir uns irgendwo in der Nähe einen neuen Eigentümer, der das Unternehmen in die Zukunft führen kann?", schildert der 55-jährige Matthias Bartholomä die Ausgangslage im Herbst 2012. Gemeinsam mit seiner Frau Ute führte Matthias Bartholomä seit Mitte der Neunzigerjahre die Geschäfte der Sonnergie. Sechs Mitarbeiter gehören bis zu diesem Zeitpunkt zu seinem Unternehmen. Sie verkaufen und installieren Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen, Puffer- und Hygienespeicher, Pellet, Hackschnitzel- und Scheitholzkessel sowie Wohnraumöfen. Die Neuausrichtung des Geschäfts hätte auch die Einbindung der Neuen Medien sowie eines eigenen Webshops bedeutet. Da keines ihrer Kinder den Betrieb übernehmen wollte, entschied sich das Inhaber-Ehepaar Ute und Matthias Bartholomä dafür, einen potentiellen Käufer zu suchen.
In einem ersten Schritt ließen die Sonnergie-Inhaber, zunächst einmal noch ohne konkrete Kaufinteressenten, eine Unternehmensbewertung durchführen. „Unser Vorteil war sicherlich, dass wir nicht unter Zugzwang waren", sagt Bartholomä. Erst als sie eine ungefähre Preisvorstellung über ihren Betrieb hatten, begannen sie langsam mit der Suche nach potentiellen Käufern. Dass die älteste Tochter der Familie Lehrerin ist, sollte sich dabei noch als besonderer Glücksfall herausstellen.
Kontakt im Klassenzimmer
„Eigentlich haben wir ja eine ganz andere Firma zur Übernahme gesucht", erzählt Reiner Stauss, der seit der Übernahme die Sonnergie-Geschäfte führt. Ziel des Käufers Preuhs Holding war eigentlich die Übernahme eines Heizungsinstallationsunternehmens für das Unternehmen Solera, ein anderes Tochterunternehmen der Preuhs Holding. Solera installiert als Elektroinstallationsunternehmen zu 60 Prozent Photovoltaikanlagen und zu 40 Prozent regenerative Heizsysteme. „Wir wollten durch den Zukauf eines entsprechenden Installationsunternehmens unser Know-how in diesem Bereich durch Zukauf erweitern", sagt Stauss. Doch es kam anders. Durch einen Zufall wurde Stauss gemeinsam mit Preuhs-Hol-ding-Inhaber Thomas Preuhs auf das Unternehmen Sonnergie aufmerksam.
"Ein ehemaliger Schüler unserer Tochter war Azubi bei der Thomas Preuhs Holding", erzählt Bartholomä über den glücklichen Umstand, der ihn mit dem späteren Käufer seines Unternehmens zusammenbrachte. „Unsere Tochter dachte, dieses Unternehmen könnte als Käufer in Frage kommen und hat uns darauf aufmerksam gemacht. Wir kannten es vorher gar nicht." Das änderte sich schlagartig. Schon die ersten Gespräche im Hause Preuhs verliefen sehr zufriedenstellend. Nach zwei oder drei Vorstellungsrunden hatten beide Parteien bereits eine Absichtserklärung über die Transaktion unterzeichnet. „Normalerweise ist die Holding der Mantel zur Entwicklung neuer Geschäftsideen", erklärt Reiner Stauss. „Das Bestandgeschäft der Sonnergie passte unter diesem Gesichtspunkt eigentlich gar nicht in unsere Strategie." Doch da der regenerative Bereich von Sonnergie das Geschäft von Solera optimal ergänzt, ist er von diesem Grundsatz ein wenig abgewichen. Sonnergie ermögliche, jetzt auch in den Handel mit erneuerbaren Energien einzusteigen.
Über die Verkaufsmodalitäten wurden sich Käufer und Verkäufer rasch einig; eine Unternehmensbewertung lag ja ohnedies schon vor. Die Due Diligence war sehr übersichtlich und dauerte nur wenige Tage. „Ein Controller der Preuhs Holding hat in unsere Bücher geschaut, das war in einem Tag erledigt", erinnert sich Matthias Bartholomä. Vom Erstkontakt zwischen Käufer und Verkäufer bis zur Unterschrift des Vertrags vergingen gerade einmal drei Monate.
Unterschied durch die Mitarbeiter
Mit der Eingliederung in die Thomas Preuhs Holding änderte sich der Firmenname von Sonnergie nicht. Alle Mitarbeiter wurden zudem übernommen - ein Umstand, der sowohl den Verkäufern als auch dem Käufer wichtig war. „Dass das Stammtea übernommen wird, hatte bei unseren Verkaufsabsichten die höchste Priorität - noch vor dem Preis", sagt Bartholomä. Und Stauss ergänzt: „Wenn nicht alle Mitarbeiter dabeigeblieben wären, wäre das Unternehmen für uns nicht so interessant gewesen. Wir wollten keine Hülle kaufen."
Neue und alte Eigentümer Seite an Seite im Tagesgeschäft
Eine Besonderheit ist, dass die beiden Alteigentümer weiterhin dem Unternehmen angehören. Matthias Bartholomä fungiert neben Reiner Stauss und Thomas Preuhs sogar als dritter Geschäftsführer. Stauss kümmert sich um das Produktmanagement, Bartholomä weiterhin verstärkt um den Vertrieb. „Die Ressortverteilung ermöglicht einen größeren Gestaltungsspielraum sowie eine Entlastung der beiden Altgesellschafter", sagt Stauss und verweist dabei auf den einwandfreien gemeinsamen Umgang. Nun steht die räumliche Zusammenführung in Geislingen-Binsdorf an. Sonnergie zieht gemeinsam mit dem Schwesterunternehmen Solera in ein neu errichtetes Gebäude, um trotz der Eigenständigkeit beider Firmen Synergien bestmöglich zu nutzen.
Dirk Preising liebt das Unternehmertum. Mit 50 Jahren wollte er eigentlich kürzer treten. Genau das Gegenteil war der Fall. Jetzt, acht Jahre später, hat er seinen Betrieb verkauft. Sonst hätte er sich
wohl nie davon lösen können.
Dass die Menke & Preising Umformtechnik (MPU) aus dem nordrhein-westfälischen Nachrodt-Wib-
lingwerde heute ein kerngesundes Unternehmen mit zufriedenen Kunden ist, ist großteils Dirk Preising zu verdanken. Der Unternehmer startete 1995 zusammen mit einem Partner mit der Herstellung verschiedenster Stanzformen nebst Beratung in der Entwicklung von Umformteilen für die Automobil- und die Elektroindustrie. Seit 1997 als GmbH geführt, verließ sein damaliger Miteigentümer 1999 das Unternehmen. Preising machte alleine weiter.
Kleine Rückschläge wie insolvente Großkunden oder zu klein gewordene Fertigungshallen konnten ihn nicht aufhalten. „Als ich 50 wurde, wollte ich eigentlich ein bisschen kürzer treten", blickt Dirk Preising zurück. „Doch das genaue Gegenteil war der Fall." Er sorgte für konstantes Wachstum bei Umsatz und Mitarbeiterzahl, von 2009 bis 2013 fand sogar jeweils eine Verdreifachung statt. Im Geschäftsjahr 2013 erzielte das Unternehmen gar einen neuen Umsatzrekord. Aktuell zählt der Betrieb 20 Mitarbeiter. Doch die Nachfolgefrage war nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
Nachfrage nach Nachfolge
Heute ist Dirk Preising 58 Jahre alt. „Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sich selbst fragt, wo man eigentlich noch hin möchte", sagt er. Auch Geschäftspartner, Kunden und Banken wurden zunehmend ungeduldig, erzählt er. „Die wollten alle wissen, was mit einer Nachfolge ist." Er hat sich mehrere Optionen überlegt. Eine wäre die Aufnahme seiner Tochter in die Geschäftsleitung und die langsame Übergabe des Geschäfts an die Betriebswirtin gewesen. „Doch mir war klar, dass ich bei dieser Lösung nie weggekommen wäre. Die Technik hätte weiterhin ich verantwortet", sagt Preising. Also hatte er diese Variante fallengelassen und stattdessenden Verkauf des Unternehmens ins Visier genommen. Das war im Dezember 2012. Er reagierte auf eine Werbung, die ihm ins Haus flatterte. Es folgte ein Treffen mit dem Unternehmensvermittler, eine Profilerstellung des Unternehmens sowie ein Gutachten. Die Anfänge des Verkaufsprozesses hat Dirk Preising als schleppend in Erinnerung. Doch dann ging alles Schlag auf Schlag.
Kaufmännische Ehrlichkeit
Nicht allzu lange hat es gedauert, bis die ersten Anfragen potentieller Käufer kamen. Sondierungsgespräche fanden statt. „Die Mitarbeiter wurden schon ein wenig unruhig, wenn sie plötzlich unbekannte Personen in der Firma sehen", erzählt Dirk Preising. Vier Interessenten kamen in die nähere Auswahl. „Die wollten alle vier unbedingt kaufen", meint der Alteigentümer.
Den Zuschlag erhielt schließlich ein Mittdreißiger. Der Techniker stürzt sich damit ins Abenteuer Jungunternehmerschaft. Sowohl Verkäufer Preising als auch der Käufer hatten zur Vorbereitung und Abwicklung der Transaktion Berater an ihrer Seite. Die Käuferberater führten eine Due Diligence durch Preising und sein Team haben zugearbeitet. Der Aufwand dafür war riesig. „Es waren zwar alle Dokumente da, doch mussten wir sie nur richtig zusammenstellen", erinnert sich der Verkäufer. Mehrere Wochen lang wurde dafür auch sonntags gearbeitet. Trotz des Pensums verlief die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Parteien gut. „Kaufmännische Ehrlichkeit - das war mir dabei besonders wichtig", sagt Dirk Preising.
Eigenes Gesicht wahren
Neben der Ehrlichkeit des neuen Eigentümers von MPU war es dem scheidenden Firmenchef besonders wichtig, dass das Verhältnis des neuen Unternehmenslenkers zu den Mitarbeitern passt. Um das herauszufinden, hat der spätere Käufer zuvor erst mal drei Wochen lang im Betrieb mitgearbeitet, auch um das Verhältnis zwischen ihm und dem Betriebsleiter auszuloten. Preising war klar, dass die Chemie stimmen musste, bevor er verkauft. „Ich hätte mich im Ort sonst nicht mehr auf der Straße blicken lassen können", streicht Preising heraus.
Von der Kontaktaufnahme bis zur Unterschrift des Kaufvertrags beim Notar verging genau ein Jahr. „Eigentlich kann ich es immer noch nicht glauben, es ist alles so schnell gegangen", sagt Dirk Preising rückblickend. Im Dezember 2013 war der Verkauf des Unternehmens rechtlich unter Dach und Fach gebracht. Emotional hat Dirk Preising freilich noch nicht mit seinem Lebenswerk abgeschlossen.
Im laufenden Jahr 2014 wird der Alt-Eigentümer dem Unternehmen noch beratend zur Seite stehen offiziell mit sechs Stunden am Tag. Momentan sind die aber nicht ausreichend. Es gibt einfach zu viel zu tun, wenn das eigene Unternehmen ordentlich übergeben und erfolgreich weitergeführt werden soll. Hinzu kommt aktuell eine sehr gute Auftragslage, die Alt- und Neueigentümer auch im Tagesgeschäft einiges abverlangt.
IV. Experteninterview
„Kinder nicht an Nachfolge interessiert"
Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn erhebt seit knapp 20 Jahren Zahlen zur Unternehmensnachfolge in Deutschland und erforscht die konkreten Auswirkungen auf die Unterneh-
menspraxis. Professor Dr. Friederike Welter, Präsidentin des IfM, gibt im Interview Aufschluss über die Zahlen für die kommenden Jahre und die Herausforderungen einer Übergabe aus Sicht der Forschung.
Frau Professor Dr. Welter, das IfM hat Berechnungen zu den anstehenden Unternehmensübergaben im Mittelstand in den kommenden Jahren bis 2018 angestellt. Wie sehen diese Zahlen aus?
Nach Schätzungen des IfM Bonn werden bis 2018 in Deutschland jährlich etwa 27.000 Unternehmen zur Übergabe anstehen, weil ihre Eigentümer entweder aufgrund von Alter, Krankheit oder Tod ausscheiden. Davon werden rund zwei Millionen Mitarbeiter betroffen sein. Seit Mitte der Neunzigerjahre ermittelt das IfM Bonn regelmäßig mittels eines selbst entwickelten Schätzverfahrens die Anzahl der Unternehmensnachfolgen, da es keine verlässliche amtliche Statistik über das Nachfolgegeschehen gibt.
Lässt sich feststellen, welche Regionen Deutschlands und welche Branchen besonders von der Suche nach geeigneten Nachfolgern betroffen sind? Betrachtet man die Zahlen absolut, werden die meisten Übergaben in den großen Flächenländern Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg stattfinden - und die wenigsten in Bremen und dem Saarland. Für einen realistischen Bundesländervergleich muss jedoch der jeweilige Unternehmensbestand berücksichtigt werden. Denn dadurch ergibt sich ein völlig anderes Bild: So erwartet unser Institut, dass auf das gesamte Bundesgebiet ins gesamt 36,2 Übergaben je 1.000 Unternehmen zwischen 2014 und 2018 erfolgen. Rechnet man dies auf die einzelnen Bundesländer um, stehen die beiden Stadtstaaten Bremen (45,1 Übergaben je 1.000 Unternehmen) und Hamburg (42,7 Übergaben je 1.000 Unternehmen) dann gemeinsam mit dem kleinen Saarland (40,6 Übergaben je 1.000 Unternehmen) an der Spitze.
Gegenüber dem Zeitraum zwischen 2010 und 2014 sind das in den kommenden fünf Jahren jährlich etwa 5.000 Unternehmen mehr. Worauf ist dieser Anstieg zurückzuführen?
Der Anstieg der Zahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen ist vor allem auf den demographischen Wandel und die damit verbundene Alterunder Unternehmer und Unternehmerinnen der geburtenstarken Jahrgänge zurückzuführen.
Rechnen Sie damit, dass es durch die gestiegene Anzahl der zur Übergabe stehenden Unternehmen in den kommenden Jahren zu Nachfolgerlücken kommen wird?
Ihren Berechnungen zufolge übergeben knapp drei von zehn Unternehmern ihren Betrieb an einen Nachfolger außerhalb des Unternehmens. Welche Vorteile hat eine solche Lösung gegenüber der Übergabe an Familien- oder Unternehmensmitglieder?
Eine externe Nachfolgelösung ist zwangsläufig für übergabewürdige Unternehmen notwendig, wenn prinzipiell weder Kinder noch andere Familienmitglieder für die Nachfolge zur Verfügung stehen: Vor allem bei kleineren Unternehmen ist häufig zu beobachten, dass die Kinder nicht an der Nachfolge interessiert sind und sich der Eigentümer gezwungen sieht, sich extern nach geeigneten Nachfolgekandidaten umzusehen. Bei größeren Unternehmen ist hingegen zu beobachten, dass eine externe Nachfolge dann von den Eigentümern präferiert wird, wenn ihre Kinder keinen Beruf erlernt haben, der für die Unternehmensfortführung wichtig ist.
Vorteilhaft sind bei externen Nachfolgelösungen Verkäufe an Wettbewerber, da diese in der Regel höherÜbernahmepreise entrichten als Privatpersonen, die statt wettbewerblicher Interessen die konkrete Nachfolge im Fokus haben.
Und welche Risiken bestehen bei externen Übergaben?
Die Realisierung einer unternehmensexternen Nachfolge bedarf anderer Vorbereitungen als die Realisierung einer familieninternen (Sohn oder Tochter) bzw. unternehmensinternen (Mitarbeiter): Zunächst müssen die Eigentümer nach einem geeigneten Nachfolger suchen. Daran schließen sich - wie bei den anderen beiden Nachfolgelösungen - konkrete Gespräche an, in denen die Details der Übergabe bzw. der Übernahme verhandelt werden. Im Vergleich zur familieninternen bzw. unternehmensinternen Nachfolge sind diese Verhandlungen jedoch schwieriger, da weder die Eigentümer die Nachfolger noch die Nachfolger das Unternehmen über Jahre beobachten konnten. Entsprechend gilt es gerade bei der familienexternen Nachfolge Informationsasymmetrien abzubauen. Hinzu kommt, dass die Interessenten, die keine Unternehmer oder Investoren sind, häufig den Kapitalbedarf im Vorfeld stark unterschätzen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Stolpersteine für eine erfolgreiche Transaktion in der Praxis und wie lassen sie sich überwinden?
In der Praxisliteratur werden das „Verdrängungsproblem" sowie das „Zeitproblem" als die größten Probleme bei der Regelung der Nachfolge genannt. Dies bestätigen auch unsere Erfahrungen: Viele Unternehmenseigentümer scheuen eine konkrete Auseinandersetzung mit der Nachfolgeproblematik, weshalb sich die konkrete Regelung immer weiter nach hinten verschiebt und dann das Zeitproblem virulent wird. Zwar ist die Vorbereitung und Umsetzung der Nachfolge von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich; sie kann aber bis zu zehn Jahre dauern, weshalb eine frühzeitige Beschäftigung damit wichtig ist.
Die Expertin
Prof. Dr. Friederike Welter
ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn und Professorin an der Universität Siegen.
V. Expertenbeitrag
Bei der Nachfolgesuche allein gelassen
Deutschland hat der mittelständischen Wirtschaft viel zu verdanken. Sie ist Jobmotor und vor allem die stabile Basis unserer Volkswirtschaft. Denn getragen wird unser Wohlstand vor allem von den kleinen und mittleren Unternehmen. Oft genug handelt es sich um Familienunternehmen, die nach dem Krieg in der Gründergeneration entstanden sind. Nur, diese Gründergeneration und deren Kinder stehen heute vor dem Problem der Nachfolgeregelung.
Laut Statistischem Bundesamt zählen, nach letzten Zahlen aus dem Jahr 2011, von den über 3,6 Millionen Unternehmen hierzulande 99,3 Prozent zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit einem jährlichen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro. Über 3,3 Millionen Unternehmen haben bis zu neun Beschäftigte. Insgesamt sind über 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Menschen in Deutschland bei kleinen und mittelständische Unternehmen beschäftigt.
Unternehmen stehen alleine da
94 Prozent unserer Unternehmen haben einen jährlichen Umsatz von bis zu 2 Millionen Euro und beschäftigen gleichzeitig die Mehrzahl der im Arbeitsleben stehenden Bevölkerung unseres Landes. Diese enorme Zahl lässt vermuten, dass sich gleich eine große Branche und unzählige staatliche Stellen intensiv mit dem Thema Nachfolge im Mittelstand beschäftigen und die Unternehmen bei der konkreten Lösung ihres Problems unterstützen. Doch leider ist genau das Gegenteil der Fall.
Allgemeine Hilfestellungen mit meist sehr fundiertem Rat bieten die einzelnen Handwerks-, Industrie- und Handelskammern, in einzelnen Fällen ist auch der Steuerberater und der Rechtsanwalt sowie die Hausbank ein guter Ansprechpartner. Doch allen ist gemeinsam, dass sie außerhalb ihrer Fachgebiete im rechtlichen, steuerlichen oder finanzierungstechnischen Bereich nicht mit einer umfassenden Begleitung des Prozesses dienen können. Den Unternehmern fehlt ein Ansprechpartner, der sie an die Hand nimmt und durch den gesamten Prozess der Nachfolgeregelung führt.
Zu wenig professionelle Unternehmensvermittler
Inzwischen existiert zwar eine steigende Anzahl von Unternehmensvermittlern, Spezialisten für Nachfolgeregelungen, M&A-Fachleuten und Unternehmensberatern. Doch leider gilt hier: Die großen Beratungshäuser interessieren sich nicht für besagte 94 Prozent der mittelständischen Unternehmen mit bis zu 2 Millionen Euro Jahresumsatz, und die kleineren M&A-Spezialisten sind zumeist Einzelkämpfer mit einem eher unstrukturierten und wenig professionellen Vorgehen. Anbieter, die sich um die kleinen
und mittelgroßen Unternehmen trotzdem professionell, mit festen Prozessen, hoher Transparenz, detaillierten Leistungsnachweisen und einer glasklaren Kostenübersicht kümmern, gibt es kaum.
Nachfolgeregelung in der Praxis
Zunächst betritt der Unternehmer absolutes Neuland, denn zumeist hat er zwar viele Erfahrungen im Geschäftsleben gesammelt, doch sein eigenes Unternehmen hat er in der Regel noch nicht verkauft. Die
aufkommenden Fragen nach den Risiken der Übergabe und die Ungewissheit, ob ein passender Nachfolger gefunden werden kann, machen den Verkauf nicht einfacher. In der Mehrzahl der Fälle kann weder in der Familie noch firmenintern ein passender Nachfolger gefunden werden. Damit bleibt nur die Lösung durch den Verkauf an einen anderen Unternehmer oder Existenzgründer.
Laut Untersuchungen des Instituts für Mittelstandsforschung aus Bonn sind in Deutschland jährlich
rund 27.000 mittelständische Unternehmen auf der Suche nach einem Nachfolger, zumeist aus Altersgründen. Fast 6 Prozent dieser Unternehmen müssen jährlich für immer schließen, weil die Unternehmensnachfolge nicht geregelt werden konnte.
Passende Nachfolgelösungen brauchen Zeit
Wie bei jedem Verkauf gilt, je früher die Veräußerung eingeleitet wird, desto besser. Als optimal gilt, bereits zwei bis drei Jahre vor dem Verkauf erste konkrete Schritte einzuleiten. Das klingt zunächst nach einem langen Zeitraum. Doch oft genug fordern Kaufinteressenten eine zweite Unternehmensebene. Sollte eine vollwertige Vertretung noch nicht vorhanden sein, so braucht der Aufbau Zeit. Es sind durchaus schon Unternehmensverkäufe gescheitert, weil der Verkäufer geäußert hat, dass ohne ihn in seinem Unternehmen nichts mehr richtig laufe.
Entgegen der vielfachen Annahme, dass die größte Hürde das Finden des passenden Käufers darstellt, belegen Realität und Wissenschaft: Beide Parteien zusammenzubringen ist viel schwieriger. Laut einer aktuellen Studie der Technischen Universität München scheitern im Mittelstand fast 85 Prozent der Unternehmensvermittlungen. 72 Prozent der Befragten führten dies auf unrealistische Kaufpreisvorstellungen zurück. Weitere Gründe sind Finanzierungsprobleme sowie „Altlasten".
Bei dem Thema Vertragsverhandlungen geht es vor allem um den Aufbau einer Vertrauensbasis zwischen Verkäufer und Käufer. Kein einfaches Unterfangen, denn der Firmeninhaber möchte Gewissheit über Ernsthaftigkeit und Solvenz des Nachfolgers. Auch die Übernahme der Mitarbeiter muss geklärt werden. Durch diese Hürden im oft emotionsgeladenen Teil des Verkaufsprozesses führt ein erfahrener Unternehmensvermittler über eine fortlaufende Moderation und Motivation die Verhandlungen.
Fazit
Wie die Nachfolge bei einem mittelständischen Unternehmen im Detail auch aussieht, sie wird meist nur ein Erfolg, wenn sie geplant wird und ein externer Unternehmensvermittler den Prozess unterstützt. Allerdings ist nicht nur die Zahl der größeren Unternehmensvermittler im Segment der kleinen und mittelgroßen Unternehmen völlig ungenügend. Auch Professionalität und Transparenz der Branche lassen zu wünschen übrig. Hier muss sich in Deutschland im Hinblick auf die Bedeutung mittelständischer Unternehmen noch viel weiterentwickeln.
Der Autor
Udo Goetz ist Vorstand der axanta AG, die sich auf die Beratung und Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen bei M&A-Deals spezialisiert hat.
VI. Implikationen und Ausblick
Die unterschätzte Komplexität
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie bestätigen zunächst einmal die hohe Relevanz des Themas Nachfolge für den deutschen Mittelstand. 38 Prozent der Unternehmer möchten in den kommenden Jahren allein aus Altersgründen ihren Betrieb an einen externen Nachfolger übergeben. Jeder Fünfte plant eine Übergabe, weil er keinen passenden Nachfolger im Unternehmen hat. Dass dies so ist, liegt zum Teil aber auch an den eigenen Versäumnissen der Unternehmer: Typisch mittelständisch trifft der überwiegende Anteil der Unternehmer seine Entscheidungen im eigenen Hause ganz alleine, lediglich ein knappes Viertel hat bereits einen Vertreter auf fachlicher und unternehmerischer Ebene aufgebaut. Nur wenige wollen dies bis zum angestrebten Verkauf noch nachholen. Ein Umstand, der die Gefahr in sich birgt, dass das Unternehmen für einen potentiellen Käufer automatisch an Attraktivität verliert, wenn nach Ausscheiden des Alteigentümers das Unternehmen möglicherweise handlungsunfähig ist, weil niemand Entscheidungen trifft.
Zeitfaktor realistisch sehen
Folgt man dem Rat von Experten, so sollten Unternehmer fünf Jahre vor ihrem geplanten Ausscheiden aus dem Unternehmen damit beginnen, ihre Nachfolge zu regeln. So langfristig planen offenbar die Wenigsten. Zwei Drittel haben die Vorstellung, binnen zwölf Monaten mit dem Verkaufsprozess zu starten. Ein Drittel meint, diesen binnen sechs Monaten abgeschlossen zu haben. Diese Zeiträume sind in der Praxis nur dann realistisch, wenn zum einen die Vorbereitung des Verkaufs abgeschlossen ist und es zum anderen konkrete, aktive Kaufinteressenten gibt. Im Rahmen der Vorbereitung stehen kleine und mittelständische Unternehmen häufig vor dem Problem, vorrangig über steuerrechtliche Bilanzen zu verfügen, nicht aber über handelsrechtliche. Die Erstellung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, die Aufstellung der Kundendaten oder gar die Erstellung eines Business Plans für die nächsten Jahre will zwar ein Teil der Unternehmer zukünftig umsetzen, wird damit in der Praxis aber aufgrund fehlender oder nicht aktueller Datengrundlagen an Grenzen stoßen.
Fehlenden Überblick ausgleichen
Bei der Kaufpreisfindung verlassen sich Mittelständler typischerweise auf ihren Steuerberater. Das ist aufgrund der oft langjährigen Beziehung im Zusammenhang mit der jährlichen Erstellung des Jahresabschlusses auch nicht weiter verwunderlich. Ein Viertel der Unternehmer versucht zudem, aus anderen, ähnlichen Verkäufen einen Preis für das eigene Unternehmen abzuleiten. Dieser kann aber nur ein Näherungswert sein; zu individuell ist jedes einzelne Unternehmen, als dass Vergleichswerte umgelegt werden könnten. Zudem möchten Unternehmer aus dem Verkaufspreis nicht zuletzt auch ihr weiteres Leben mitfinanzieren. Dieser Anspruch dürfte bei vielen vor allem implizit mitschwingen.
Für die Alteigentümer ist vor allem entscheidend, einen Nachfolger zu finden, der nicht nur bereit ist, einen bestimmten Preis zu bezahlen, sondern der von seiner Art zum Unternehmen passt und auf die bestehenden Mitarbeiter setzt. Dies belegen auch die vorliegenden Fallstudien eindrucksvoll. Der in den kommenden Jahren hohen Anzahl an zur Übergabe anstehenden Betrieben steht eine ungleich niedrigere Zahl an Kaufinteressenten gegenüber. Der von mehr als der Hälfte eingeschlagene Weg, private und geschäftliche Kontakte für die Suche nach potentiellen Übernehmern zu nutzen, kann daher nur in Ausnahmefällen zum Ziel führen.
Ansprechpartner:
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Udo Goetz
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